In Deutschland wird diskutiert – über Klimawandel, Nachhaltigkeit, Konsum, was man zum Leben braucht und was nicht. Einige Branchen merken den Wandel besonders. Die Hausgeräteindustrie hat im letzten Jahr einen wahren Boom erfahren. Aber was davon ist Covid-19-Effekt? Was davon bleibt? Und worauf muss sich die Branche einstellen?
Die Zukunft der Haushaltsgerätebranche – zwischen Genuss, Generationen und Green Economy

Genuss-Investment in das eigene Zuhause
In den vergangenen eineinhalb Jahren wurde aufgeräumt, renoviert und vor allem gekocht. Der Home Electronics Market Index (HEMIX) verzeichnet in den ersten drei Quartalen 2021 ein Plus von 6,9 Prozent gegenüber Vorjahr. Dabei wurden von Januar bis September 2021 ganze 12,5 Mrd. Euro für Elektrohausgeräte ausgegeben. Mit 9,8 Prozent Wachstum konnten dabei vor allem Elektrokleingeräte gewinnen und verzeichnen ein Umsatzvolumen von 4,9 Mrd. Euro. Helmut Geltner ist sich sicher: „Wenn die Branche clever ist, wird das auch so bleiben. Wir haben uns an neue Abläufe gewöhnt und Rituale wie das Frühstücksbrot oder den gemeinsamen Kaffee wieder lieb gewonnen. Wer es als Marke in die täglichen Rituale schafft, der hat verstanden, wie man zur Customers‘ First Choice wird.“ Die positive Grundstimmung bringt jedoch einige Herausforderungen mit sich, unter anderem das große Thema Nachhaltigkeit. Ein Thema der Elite oder mittlerweile auch auf dem Massenmarkt?
Nachhaltigkeit – die Renaissance der Qualität
Helmut Geltner ist überzeugt: „Nicht zuletzt hat die Flutkatastrophe gezeigt, dass dringender Handlungsbedarf besteht. Das bedeutet für Unternehmen, dass Nachhaltigkeit ein wichtiger Treiber für Innovation ist und sich neue Märkte entwickeln können.“ 58 Prozent der für das Consumer Barometer 2020 der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG AG Befragten geben an, dass sie beim Kauf von Haushaltsgeräten zumindest versuchen, auf Nachhaltigkeit zu achten. Wichtige Kauffaktoren sind Lebensdauer der Produkte, Reparierbarkeit und Recycling.
„Gerade die Qualität und Reparierbarkeit sind Punkte, die unsere langjährigen Kunden an den Allesschneidern schätzen“, weiß Hermann Graef, Geschäftsführer der Gebr. Graef GmbH & Co. KG. „Wir haben auch nach 40 Jahren noch Ersatzteile, schärfen Messer und bringen alte Maschinen auf Vordermann. Aktuell denken wir sogar über eine Recyclingstraße nach.“ Geiz ist geil ist vorbei. Kunden sind laut Consumer Barometer bereit, bis zu zehn Prozent mehr Geld für nachhaltige Produkte zu bezahlen. Helmut Geltner: „Konsumentinnen und Konsumenten lernen wieder, dass sich Qualität auszahlt. Es wird sich erneut die Devise durchsetzen, lieber einmal gut statt zweimal schlecht zu kaufen. Und das ist auch ein Stück Nachhaltigkeit.“
Kein Raum für falsche Versprechungen
Klar ist aber auch: Die Konsumenten haben falsche Versprechungen, Halbinformationen und Intransparenz satt – vor allem die sogenannte Gen Z. So boykottiert laut repräsentativer Statista-Umfrage zu nachhaltigem Konsum in Deutschland 2021 ein Viertel der 16 bis 29 Jährigen einige Lebensmittel-, Getränke- oder Kleidungsmarken und -läden aufgrund ihrer schlechten Nachhaltigkeitspolitik. Eine Grundsatzeinstellung, die sich auch gegenüber Herstellern von Haushaltsgeräten durchsetzen wird, da ist sich Geltner sicher.
E-Commerce immer wichtiger
Viele Konsumenten, die sich zuvor nicht getraut haben, online zu kaufen, haben diese Hürde während der Pandemie genommen. Auch hier ist Nachhaltigkeit wichtig. 65 Prozent der Onlineshopper würden mehr bezahlen, wenn der Versand CO2-neutral ist. Besonders nachhaltig: 60 Prozent von ihnen haben 2020 kein einziges Paket retourniert. Die Chance für den Haushaltsgerätehandel: digitale Beratungsangebote, farbechte Produktabbildungen oder auch Einrichtungssimulationen, die den Konsumenten helfen, möglichst passgenaue Entscheidungen zu treffen. E-Commerce kann also eine tragende Rolle in Multichannel-Strategien übernehmen und wird durch Konzepte wie „Click and Collect“ in Kombination mit der persönlichen Beratung vor Ort auch für den stationären Fachhandel zum Kundenmagneten.Made in Germany – Vergangenheit oder Chance?
Trotz der vielen Informationen im Internet herrscht in Bezug auf vertrauenswürdige Quellen noch immer Unsicherheit, die der größte Feind des nachhaltigen Konsums ist. Während die kommende Käufer-Generation genau Bescheid weiß, kennen sich laut KMPG Consumer Barometer unter den 50 bis 59-Jährigen nur 15 Prozent mit nachhaltigen Alternativen aus. Transparent vergebene Siegel können für Unternehmen eine Chance sein, aber auch ein fast schon tot geglaubtes Qualitätsmerkmal: „Made in Germany“. Diese weltweit anerkannte Instanz war durch die Krisen der Automobilhersteller an die Grenze der Belastbarkeit gekommen.