Retail Media ist der Trend der Stunde. Werbeflächen in Shops, in den Schaufenstern oder zumindest in der Nähe des Point of Sale ziehen immer stärker die Aufmerksamkeit der Werbetreibenden auf sich. Das Thema ist nicht neu, aber es haben sich einige Parameter verändert:
- Die Digitalisierung der Werbeflächen macht das Handling einfacher.
- Die digitale Werbeinfrastruktur sorgt dafür, dass Bildschirme am POS genauso gebucht werden können wie Banner auf Websites.
- Händler haben verstanden, dass die Qualität des Kundenkontaktes mehr Wert ist, als nur Produkte zu verkaufen.
Der Handel hat begonnen, den Datenschatz, auf dem er sitzt, zu monetarisieren. Gleichzeitig verlieren die Werbungtreibenden in den bestehenden Kanälen immer mehr Daten. Dabei ist der Einstieg in Retail Media recht einfach: Man hängt ein paar Bildschirme auf – am besten an Stellen, wo die Menschen warten, also etwa bei der Leergutannahme im Supermarkt oder in der Kassenzone – und spielt dort die Werbung der Lieferanten aus. Das ist ein ähnlicher Ansatz wie der klassische Werbekostenzuschuss (WKZ). Insbesondere dann wird es interessant, wenn Kunden die Kaufentscheidung erst am POS konkretisieren. 70 Prozent aller, die Bier kaufen, und die Hälfte der Kunden für Haustiernahrung entscheiden sich erst im Laden für die Marke. Die Zahlen hat die Düsseldorfer Retail-Media-Agentur Marketing of Moments erhoben. Folglich leuchtet ein, dass 38 Prozent aller Kunden von Kölle Zoo sich an eine Kampagne für Katzenfutter im Eingang erinnerten. Die Bitburger Brauereien haben nachgemessen, wie sich Retail Media auf die Kaufbereitschaft auswirkt. Um 27 Prozentpunkte habe sich die Kaufabsicht gesteigert, so die Marktforschung. Die Kunden sind im Laden also empfänglich für Werbung, das freut die Hersteller. Gleichzeitig verdient der Händler dazu, ohne Verkaufsumsatz zu verlieren.
Ob die zusätzliche Vergütung für die zusätzliche Präsenz am POS in Form von Einkaufsrabatten gewährt oder direkt bezahlt wird, spielt in der Bilanz keine große Rolle. Es spielt aber zum Beispiel eine Rolle bei der Frage, wer der richtige Ansprechpartner auf beiden Seiten ist. Den WKZ verantworten Verkauf auf Marken-Seite und Einkauf auf Handelsseite, das Media-Budget verwaltet aus Sicht der Marken oft die Agentur. Im Handel müssen dafür erst Verkaufsstrukturen aufgebaut werden. WKZ ist gelernt, Retail Media muss erst gelernt werden.
Große Handelsunternehmen, die bei Retail Media in Deutschland führend sind, wie Obi, MediaMarktSaturn oder die Schwarz-Gruppe, gründen dafür eigene Gesellschaften. Um sauber arbeiten zu können, trennen sie WKZ und Media voneinander. Diese Trennung ist weitgehend willkürlich und sie wird von vielen Händlern unterschiedlich gehandhabt. Es gibt auch Stimmen im Markt, die diese Unterscheidung aufgehoben haben wollen. „Eine erfolgreiche Retail-Media-Kampagne hängt von der Integration und Harmonisierung beider Elemente – WKZ und Retail Media – ab. Beide müssen nahtlos ineinandergreifen und aufeinander abgestimmt werden,“ sagt etwa Carina Müller von der Agentur Mediaplus Performance.
Werbekunden, die nicht verkaufen
Wichtiger für Retail Media ist eine andere Unterscheidung, nämlich zwischen den sogenannten endemischen Kunden (also Kunden, deren Waren auch beim Händler verkauft werden) und solchen Werbetreibenden, deren Produkte nicht vom jeweiligen Händler verkauft werden (die non-endemischen Kunden). Endemische Kunden haben es leicht, mit den Daten des Handels zu arbeiten. Händler können zum Beispiel mithilfe ihrer Loyalty-Card die Kassendaten sammeln und somit messen, ob eine Kampagne funktioniert hat. Diese Daten sind für Agenturen enorm wichtig, da sie für die Optimierung des Mediaplans notwendig sind, und sie erleichtern es Werbetreibenden, Retail Media auszuprobieren.
Diese Wirkungsmessung steht non-endemischen Kunden nicht zur Verfügung. Mit einer Ausnahme: Wenn es sich um einen Online-Händler handelt, dann kann jeder Bildschirm zum POS werden. Einer der größten deutschen Online-Retailer hat Werbung auf Displays in der Nähe von Supermarkt-Eingängen geschaltet und war von der Performance beeindruckt. Auch wenn sich die vorbeilaufenden Kunden offensichtlich im „Kauftunnel“ befinden, lassen sie sich von gutgemachter Werbung zumindest kurzfristig auf andere Gedanken bringen. Und der Online-Händler kann das direkt messen.
Wer die harten Leistungsindikatoren nicht zur Verfügung hat oder wer eine Kampagne schaltet, die auf Markenwahrnehmung zielt, dem bleibt nichts anderes übrig, als mit klassischer Marktforschung nachzumessen, ob es sich lohnt. Und dabei gilt es zu berücksichtigen, dass bislangt Retail Media-Platzierungen oft teurer sind als „normale“ Außenwerbung. Diese Mehrkosten muß die Kampagne einspielen.
Das führt zu zwei Bewegungen im Markt. Carina Müller beobachtet: „In der Tat sehen wir, dass non-endemische Marken flexibler agieren, da sie die Retailer primär als zusätzliche Vertriebskanäle sehen und somit die Integration in ihre Marketingstrategie erleichtern“. Aber nicht alle non-endemischen Werbungtreibenden werden mit offenen Armen begrüßt.
Patricia Grundmann, die Chefin von Obi First Media achtet darauf, dass die Customer Journey ihrer Kunden nicht gestört wird. Am liebsten sieht sie Unternehmen, deren Produkte doch irgendwie zum Thema Heimwerken passen. „Ich würde nicht vermuten, dass sich unsere Kunden davon gestört fühlen, wenn ein Telekommunikationsunternehmen auf unserem Parkplatz den Glasfaserausbau bewirbt“.
Dennis Götze von Marketing of Moments geht davon aus, dass auf Dauer mehr Medienhäuser Retail Media nutzen: „Der Start einer neuen Netflix-Serie passt super zum Wochenendeinkauf im Getränkemarkt.“ Auch hier stimmt die Customer Journey. Gleichzeitig richtet sich der Fokus des Gesamtmarktes aber stärker auf endemische Kunden. „Ich glaube, im Nicht-Endemischen sind die Effekte noch nicht ganz messbar“, meint Felix Schmidt, Commercial Director von Epsilon, einer Daten-Tochter des Publicis-Agenturnetzwerks.
Die Daten des Handels
Der Grund, warum vor allem endemische Kunden von Retail Media profitieren können, liegt nicht nur in der unmittelbaren Nähe zur Kaufentscheidung („lower funnel“). Die Daten der Retailer lassen sich auch nutzen, um Zielgruppen zu modellieren und somit Targeting zu betreiben. „Wenn wir wissen, für welche Produktkategorien sich die Kunden in den Geschäften interessieren, können wir über Connected TV entsprechendes Retargeting ausspielen“, meint Chris Riegel, Chairman von Scala. Wie das funktioniert? Zum Beispiel über das Smartphone, das häufig mit dem Loyalty-Programm verknüpft ist und auf der anderen Seite im gleichen WLAN funkt wie der heimische Smart-TV.
Hinweis: Dieser Beitrag wurde von der EuroCIS bereit gestellt.